Für den Menschen waren Flüsse seit dem Beginn seiner Sesshaftigkeit von besonderer Bedeutung. Davon zeugen schon die ersten jungsteinzeitlichen Siedlungen. Ihre Bewohner*innen wussten die nährstoffreichenBöden in den Uferzonen ebenso zu nutzen wie die günstigen Transport- undWasserwege. Auch der Wert der Flüsse als Baustofflieferanten wurde früh erkannt. Bereits den Römern diente seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. Flussmaterial wie Sand, Kies und Wasser für die Herstellung des sogenannten«opus caementitum», einen Vorläufer des zeitgenössischen Betons.Auch heute noch sind Flüsse für den Menschen zentral. Sie dienen weiterhinals wichtige Baustoffquellen, wachsende Energielieferanten und essenzielle Wasserstrassen. Als Folge davon zählen sie jedoch auch zu den am stärksten regulierten Ökosystemen der Erde. Die Konsequenzen menschlicher Eingriffe in die Natur treten immer deutlicher zutage.Den Künstlern Michael Meier & Christoph Franz dient der Fluss als Archetyp und repräsentatives Sinnbild für den Gestaltungsdrang des Menschen. Mit ihrer Werkreihe Armor Layer untersuchen sie die Auswirkungen und Dynamiken des anthropogenen Eingriffs in das komplexe Gefüge der Natur. Sie tun dies am Beispiel der Aare und Ihrer Zu- und Nebenflüsse. Als längster ganz in der Schweiz verlaufender und wasserreichster Fluss unseres Landes eignet sich die Aare besonders für ihre Betrachtungen.Mit der Installation Armor Layer, die auf der Aare-Insel vor dem Chessiloch auf Oltner Stadtgebiet entsteht, findet die langjährige künstlerische Recherche von Michael Meier & Christoph Franz eine weitere Konkretisierung. Der Titel gibt uns einen Schlüssel zum Verständnis in die Hand. So geht der Begriff «Armor Layer» (engl. Rüstung) auf die Nomenklatur der Hydrologie zurück, in der Armor die das Flussbett schützende Schicht aus Sand, Kies und Geschiebe bezeichnet. Diese sorgt dafür, dassdas Wasser nicht ungehemmt eine tiefe Rinne in den Boden frisst – ein wichtiger ökologischer Faktor, denn erst Kies, Sand und Verschlickungen bieten beispielsweise den heimischen Flussfischen geeignete Laichplätze. Diese Geschiebeschicht rückt nun in der Skulptur von Michael Meier & Christoph Franz auf der Oltner Aare- Insel ins Zentrum. Das treppenartige Werk wird aus ca. 1300 Lehmsteine aufgebaut, die von den Künstlern in den Werkhallen der Lemag AG in Brunnen aus Geschiebematerial des Kanderdeltas gepresst wurden. Kaum aufgebaut, wird die ephemer angelegte Skulptur über einen ungewissen Zeitraum hinweg von der Aare wieder abgetragen und das Material so ihrem Flussbett wieder zugefügt werden. Dieser Prozess ist zugleich eine Anspielung auf das ursprüngliche Verhältnis der beiden Fliessgewässer, mündete doch die Kander und somit auch sein Geschiebematerial vor ihrer Umleitung in den Thunersee direkt in die Aare.Aber auch die Installationsvorbereitungen sind durchzogen von vielen Prozessen und Abläufen, die von der ersten Idee 2017 bis hin zu ihrer Realisierung 2022 durchlaufen werden mussten.
Rani Magnani: Armor Layer, Der Lift (Blog), Kunstmuseum Olten 2022 (gekürzte Fassung)