I, Artist – feat. Gregory Tara Hari & Céline Brunko, Jos Näpflin, Nusser Glazova, Johanna Müller, Jason Rohr
Während sich selber in den Vordergrund zu stellen oder die eigene Arbeit anzupreisen bis weit nach der Jahrtausendwende für alle seriösen Künstler:Innen ein absolutes No-Go war, zeigen sich Millenials und Digital Natives offener. Dieses neue Selbstverständnis spielt in I, Artist eine wichtige Rolle und widerspiegelt sich in den Beiträgen von Gregory Tara Hari (*1993, lebt und arbeitet in Zürich), Nusser Glazova (*1991 und 1996, leben und arbeiten in Zürich), Johanna Müller (*1990, lebt und arbeitet in Winterthur und Paris) und Jason Rohr (1999, lebt und arbeitet in Zürich), die von der Kunsthalle gebeten wurden, eine neue Arbeit zu realisieren. Gregory Tara Hari orientiert sich an seiner Serie The Annual New Year Message, die er seit 2016 als Mischung aus geschriebenem Jahresrückblick und Fotoedition herausgibt und nun zum ersten Mal gemeinsam mit Céline Brunko (*1987, lebt und arbeitet in Zürich) als Video konzipiert. Nusser Glazova begeben sich zu einer Art Tik Tok-Performance in den Wald, Johanna Müller wiederum fusioniert mithilfe von AI-Algorithmen sich selber und ihr Werk. Jason Rohr schliesslich quartiert sich mit viel Alkohol eine Nacht lang in ein Luxushotel ein und denkt über sich selber, die Kunst im Besonderen und die Welt ganz allgemein nach. Neben den neu für die Ausstellung geschaffenen Beiträgen, die sich als eigenständige künstlerische Arbeiten verstehen und eine Hauptrolle spielen, möchte I, Artist den Einblick in weitere Formen und Formate ermöglichen, die mit zeitgenössischer Selbstdarstellung und -inszenierung von Künstler:Innen zu tun haben. Dazu gehört etwa die Serie ARTuesday des Zürcher Kuratorinnenduos baronebreu, die seit 2021 insgesamt 16 Videoportraits von Künstler:Innen auf Instagram stellten und von denen I, Artist eine Auswahl zeigt. What Happened to Us? von 2007 ist dagegen ein sehr frühes Beispiel für einen Künstler-Clip auf Social Media und portraitiert Dan Perjovschi anlässlich seiner Ausstellung im MoMA. Als gelungene Beispiele von kommerziellen Akteuren spielen die Videos At the Studio with Paul Noble von Gagosian (2017), Nicolas Party: In the Studio von Hauser & Wirth (2018) und Meet the Artist – Anne Imhof, produziert von der Art Basel (2021). Als Beispiel, dass Selbstdarstellung überhaupt nicht zwingendermassen mit cleverem Posing, schnellem Schnitt und catchy Soundspur einhergehen muss, dient Scan 2 - PET (2019) von Jos Näpflin (*1950, lebt und arbeitet in Zürich). Die Arbeit ist das Resultat eines medizinischen Ganzkörperscans des Künstlers und somit hinsichtlich Technologie mindestens auf derselben Höhe der Zeit wie Social Media. In der nüchternen Darstellung dessen, was physisch ist, erscheint die Arbeit als maximal trockene Antwort auf die hochartifizielle Darstellung dessen, was man gerne wäre. –Kunsthalle WinterthurDie Ausstellung wird unterstützt von Migros Kulturprozent, Ernst und Olga Gubler-Hablützel Stiftung, Showtronics Solutions AG.